Kalt erwischt 

 

Letzte Woche war es doch noch Sommer  -

und heute habe ich mein Auto von einer dicken Schnee-  und Eisschicht befreien müssen.

Kalt erwischt! - und das Ende Oktober!

Ich liebe den Winter - aber ich bin noch nicht bereit für ihn - innerlich und äußerlich.

Er kam zu plötzlich.

Ohne Übergang.

 

So geschieht es manchmal auch in meiner Lebensmelodie.

Die heitere, "leichtfüßige" Melodie wird plötzlich schwerfällig, langsam - aus Dur wird Moll.

Oder sie gerät ganz ins Stocken. 

Was ist der Grund dafür? Ich suche nach Ursachen, versuche zu verstehen.

Manchmal führt mich das aber nicht weiter.

Geht die Seele ihre eigenen Wege - und der Körper vielleicht auch?

Natürlich - es hängt alles zusammen, eins bedingt das andere.

Seele - Körper:  "Psychosomatik"

Aber manchmal wäre es fatal, immer einen direkten Zusammenhang zu "behaupten". Unser Leben ist viel zu komplex, als dass das immer so stimmen würde.

(Während meiner Hospiz-Jahre hat mich dieses Thema sehr beschäftigt. Vor allem, weil ich gespürt habe, wie sehr man damit sich und andere unter Druck setzen kann.)

Ken Wilber, ein Bewusstseinsforscher, hat in seinem Buch "Mut und Gnade" in einem interessanten Kapitel dazu Stellung bezogen: "Schaffen wir uns unsere Wirklichkeit selbst?" (Auszüge aus diesem Kapitel sind in meinem Buch "Über den Fluss schauen" abgedruckt)

Und obwohl Ken Wilbers  Gedanken dazu schon vor etlichen Jahren geschrieben wurden und es inzwischen neue Erkenntnisse der Bewusstseinsforschung gibt, glaube ich, dass sie eine tiefe Weisheit enthalten.

 

Aber zurück zum Wintereinbruch und zu meiner Lebensmelodie:

Ich ziehe mich in meine 4 Wände zurück und mache es mir zu Hause gemütlich.

Ich mache einen Spaziergang durch die weiße Landschaft. Weil die Straßen vereist sind, muss ich langsamer und achtsamer gehen - das verlangsamt auch mein Denken - und alles wird ruhiger in mir.

Ach ja - heute scheint die Sonne auf den Schnee. Ich erinnere mich an ein Wintergedicht, das ich vor einigen Jahren geschrieben habe

 

Winter - Ruhe - Zeit

 

Die Zaunpfosten haben dicke Mützen bekommen

Die Gräser neigen sich unter der Last

Die harten Konturen sind weggenommen

Was grünte und blühte hält Winterrast 

 

Die Sonne verziert mit Diamanten

das unberührte klare Weiß

Die Sommertöne die wir kannten

Sie werden langsamer und leis

 

Jetzt ist sie da die stille Zeit

Mit ihren langen dunklen Nächten

Wenn wir sie nicht fliehen macht sie uns weit

Verbindet uns mit den himmlischen Mächten

 

Sie holt uns heraus

Aus all dem Getriebe

und sagt ganz leis

Was zählt ist die Liebe

 

(Naja, das Gedicht passt wohl besser in die Weihnachtszeit - dafür habe ich es damals auch geschrieben)   

 

Vielleicht passt da ein anderes Gedicht, das noch sehr viel älter ist, besser zu meinen Ausgangsgedanken:

 

Gedanken-Spiel

 

Trübe Gedanken schleichen sich an

lauern auf Einlass

bereit in jede Ritze

meiner Seele zu kriechen.

Ich könnte ja dicht machen

doch lass ich sie ein.

Sie ziehen durch mich hindurch

sie fühlen sich kalt an

und feucht und grau.

Ich spiele mit ihnen

lass sie gewähren.

Ich mache aus ihnen ein kleines Gedicht.

Sie zwinkern mir zu

und winken zum Abschied.  

 

Manchmal reicht ein "Gedanken-Spiel" aber nicht aus. Der Einbruch ist zu massiv.

Die Lebensmelodie bricht abrupt ab - so scheint es zumindest:

 

Lebens-Krise

 

Ganz plötzlich

unvorhergesehen

ein Einbruch im Leben

Krankheit

Schicksalsschlag

zerstörte Beziehung

 

Absturz

oder Chance zum Umbruch

neue Ziele und Werte entdecken

die tief drinnen schlummern

ein neuer Horizont

eine neue Perspektive?

 

Auf den Standpunkt kommt es an.

 

 

 

Vielleicht wird ja die Lebensmelodie nach solch einem Einbruch stimmiger? 

Ein schwacher Trost, wenn man mitten drin steckt - aber vielleicht doch gerade so viel, dass es uns weitergehen und -hoffen lässt. Schritt für Schritt - und mehr braucht`s manchmal auch gar nicht.

 

 

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