Eine Geschichte für Kinder und alle, die gerne spielen und phanatasieren

 

Die kleine Muschel und der Kanarienvogel

 

Es war einmal eine kleine Muschel.Die lebte ganz tief unten auf dem Grund des Meeres. Dort verbrachte sie ihre Tage mit Spielen, Schlafen und Essen.

Sie spielte mit den schwarz-weiß gestreiften Zebrafischen, den roten Schaumkorallen, den eleganten Seepferdchen und Seesternchen, den Teufelsquallen, den Tintenfischen und, und, und.

Eines Tages kam ein großer Delfin angeschwommen.TAXI stand in großen schwarzen Buchstaben auf seinem Rücken. Nie gehört, dachte die kleine Muschel. Und da sie ein vorwitziges kleines Muschelkind war und auch vor Riesentieren wie dem Delfin keine Angst hatte, rief sie: Taxi, Taxi!

Das Wort gefiel ihr und sie rief es immer weiter: Taxi, Taxi, Taxi!

Da stoppte der Delfin, packte die kleine Muschel und setzte sie sanft auf seinen Rücken.

Holla, dachte das Muschelkind, ich darf auf einem Delfin reiten.Das ist ja toll!

Wo solls denn hingehen, kleines Fräulein? fragte der große Fisch.

Nach Sardinien zu den Ölsardinen, nach Dalmatien zu den Dalmatinern oder auf die Kanaren zu den Kanarienvögeln?

Oh ja, da will ich hin, zu den Kanarienvögeln, rief die kleine Muschel ganz aufgeregt - obwohl sie überhaupt keine Ahnung hatte, was das sein könnte. Aber es klang so schön. Kanarien, Kanarien – das klang so nach Arien, und die kleine Muschel liebte Musik über alles – das Rauschen des Meeres, den Gesang der Wale – und jetzt sollte sie auch noch Arien zu hören bekommen. Das war ein Leben!

Auf geht’s, alter dicker Fisch, schrie sie voll Ungeduld dem Delfin ins Ohr.Der stellte den Taxameter an und düste los. Nach einer Stunde rasanter Fahrt durch Wellenberge und Wellentäler hielt der Delfin an, wischte sich salzige Schweißtropfen von der Stirn und brummte: So, wir sind da. Das kostet eine Perle.

Zum Glück hatte die kleine Muschel eine dabei, bezahlte und – schwupp lag sie auf einem wunderschönen Strand mit feinem weißem Sand.

So, jetzt kann das Abenteuer losgehen, dachte sie. Und kaum hatte sie den Gedanken zuende gedacht, da sah sie einen kleinen gelben Vogel herbeifliegen. Er trällerte eine wunderschöne Melodie.

Was für eine schöne Arie, rief das Muschelkind. Und der gelbe Vogel plusterte voller Stolz seine Federn auf – er sah fast aus wie ein gelber Tennisball – und sagte in herablassendem Ton: Tja, gelernt ist gelernt. Alle meine Verwandten sind begnadete Sänger.

Und weil die kleine Muschel so schön glänzte und er Gefallen an ihr gefunden hatte, lud er sie zum Kanarienvogelsingwettbewerb nach Gran Canaria ein. Das ließ sich die kleine Muschel nicht zweimal sagen. Sie hüpfte auf den Rücken des Vogels und – flugs – kurz darauf landeten sie auf dem Flughafen von Gran Canaria.Dort saß schon eine ganze Kanarienvogelsippe und übte Tirilieren und Trällern.

Es war ein Ohrenschmaus für die kleine Muschel.Sie klappte ihre beiden Hälften auf, um noch besser hören zu können.

Der Wettbewerb begann. Und als ihr Kanarienfreund – inzwischen waren sie bis über beide Ohren ineinander verliebt – an der Reihe war, da sang er das schönste Liebeslied, das sie je gehört hatte.

Dieses Lied wollte die kleine Muschel in ihrem Herzen bewahren und sich immer wieder anhören, wenn sie wieder bei ihrer Muschelfamilie auf dem Meeresgrund war. Und so klappte sie blitzschnell die beiden Muschelhälften wieder zu. Nun war die Melodie – ihre Liebesarie – eingeschlossen und sie konnte nie mehr verloren gehen.

Mit dieser Musik in ihrem Muschelherzen machte sie sich auf die Rückreise.

 

(Hast Du eine Idee, wie die kleine Muschel wieder nach Hause zu ihrer Familie gekommen sein könnte? Du kannst Deine Idee erzählen, aufschreiben oder malen.)

 

Viele Jahre später – die kleine Muschel war inzwischen eine junge Dame geworden – machte sie wieder einmal einen Ausflug an den Strand. Dort fand ein junger Mann die wunderschön glänzende Muschel.

Er hob sie auf, um sie seiner Liebsten zu schenken. Die hielt sich die Muschel ans Ohr und rief ganz verzückt: Welch wundervolle Melodie! Das Muschelfräulein errötete ein bißchen vor lauter Stolz. -

Aber vielleicht war es auch der Glanz der untergehenden Sonne, der die drei in ein zartrosa Licht tauchte.

Und alle waren sehr glücklich.

 

 

 

 

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